brustkrebsrisiko
Jede kann es treffen - Stimmt das? Brustkrebs als Schicksal?
Oder - Was die Einzelne tun kann.
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Mammographie-Screening: Chance oder Risiko?
Jede Frau zwischen 50 und 69, die in Nordrhein-Westfalen wohnt, bekommt demnächst
Post. Absender: Das Mammographie-Screening-Programm der örtlichen Kassenärztlichen
Vereinigung. Mit diesem Brief wird jede zu einer Mammographie aufgefordert,
also einer Röntgenaufnahme der Brust. Dieser Service ist kostenlos, nicht
mal 10 Euro Praxisgebühr fallen an. Und in Zukunft sollen diese Untersuchungen
alle zwei Jahre wiederholt werden. Das Ziel: die Früherkennung von Brustkrebs
und das Senken der Sterblichkeit unter den betroffenen Frauen.
Dieser Aufruf scheint mehr als berechtigt. Schließlich – so steht
es auch im Brief – bekommt jede zehnte Frau irgendwann Brustkrebs. Was
die Frauen meist nicht wissen: Der Sinn des Massenröntgens ist unter
Experten umstritten. Und auch der Weg, wie man die Frauen darüber aufklärt.Tricks
mit der Statistik
Es fängt schon mit der Einladung zum Screening an. „Zehn Prozent
bekommen Brustkrebs“ lautet die Formel, die keine Frau so schnell vergisst.
Doch tatsächlich trifft die Zahl statistisch nur auf gerade geborene
Mädchen zu, die noch 80 Jahre lang leben und an keiner anderen Krankheit
sterben werden. Von ihnen wird tatsächlich jede Zehnte irgendwann betroffen
sein. Doch diese Angabe ist für die Entscheidung für oder gegen
die Teilnahme an der Mammographie ohne Bedeutung. Denn wichtig ist zu
wissen, dass die Mammographie an dem Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, gar
nichts ändern kann. Sie ist also keine Vorsorge, denn die Mammographie
verhindert keinen Krebs, sie soll ihn lediglich früher entdecken, damit
wenigstens die Heilungschancen steigen. Viele Frauen verwechseln aber Vorsorge
und Früherkennung, wie Befragungen in der Schweiz gezeigt haben.
Hinzu kommt, dass auch das Risiko, zu einem bestimmten Zeitpunkt erkrankt
zu sein, ohne es zu wissen, aus Sicht einer Frau nur ein Bruchteil des lebenslangen
Risikos beträgt. Von 1000 Frau im Alter von 60 erkranken nur etwa fünf
innerhalb eines Früherkennungs-Intervalls von zwei Jahren. Oder anders
ausgedrückt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5 Prozent hat eine Frau
in diesem Alter keinen entdeckbaren Brustkrebs.
Mammographie ist nicht ohne Fehler
Oft stellt sich ein anfänglicher Krebsverdacht als Fehlalarm heraus
Schon jetzt lassen viele Frauen regelmäßig eine Mammographie machen,
weil sie sicher sein wollen, dass „alles in Ordnung“ ist. Doch
Vorsicht: Die Mammographie ist nicht fehlerfrei. Zahlen aus den Niederlanden,
wo schon seit Jahren Brustkrebs-Früherkennung angeboten wird, zeigen:
Ein Drittel der Tumore werden zwischen zwei Untersuchungen entdeckt, also
beim Röntgen selbst übersehen. Eine Frau kann sich also auch nach
einer unauffälligen Mammographie nicht sicher sein, dass nicht doch ein
Tumor heranwächst. Das Risiko ist zwar kleiner, aber immer noch nicht
Null.
Und es gibt einen zweiten Sch
wachpunkt: Viele Frauen werden durch die Untersuchung mit einem falschen Alarm
konfrontiert. Nehmen wir 1000 Frauen, die zehn Jahre lang zur Mammographie
gehen, das sind fünf Untersuchungen bei jeder Frau. Im Laufe der Zeit
wird bei rund 200 von ihnen eine „Auffälligkeit“ entdeckt
– mit anderen Worten: ein Krebsverdacht. Das bedeutet zunächst
einen Schock. Und es müssen daraufhin weitere Untersuchung folgen. Bei
rund 40 bis 50 Frauen erhärtet sich der Verdacht erst einmal weiter,
so dass die Ärzte eine sogenannte Biopsie veranlassen. An den verdächtigen
Stellen wird aus der Brust eine Gewebeproben entnommen. Keine angenehme Prozedur.
In vielen Fällen haben sich zudem die Patientinnen umsonst Sorgen gemacht.
Denn schließlich lautet der Befund nur bei rund der Hälfte aller
Biopsierten tatsächlich „Krebs“. Also nur in etwa 20 von
200 Verdachtsfällen bewahrheitet sich die nach dem Röntgen aufgeworfene
Krebsvermutung.Ernüchternde Bilanz des Screenings
Aber immerhin: Das Ziel scheint damit erreicht, Krebsfälle sind entdeckt
worden. Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass auch diese
Diagnose keine Garantie für Heilung bietet. Die Zahlen sehen so aus:
Wenn 1000 Frauen zur Mammographie gehen und Krebs dadurch früh entdeckt
wird, werden trotzdem sechs im Laufe von zehn Jahren daran sterben. Gehen
alle diese Frauen nicht zur Mammographie, sterben acht, wie mittlerweile mehrere
Studien belegt haben. Also haben nur zwei von 1000 Frauen einen echten Nutzen.
Zur Erinnerung: 200 werden in dieser Zeit mit der zumeist falschen Diagnose
„Krebsverdacht“ konfrontiert. Diese Frauen erleben zumindest eine
vorübergehende negative Beeinträchtigung durch die Untersuchung.Früh
erkannt, Gefahr gebannt?
Trotz Früherkennung ist mancher Krebs unheilbar
Dass ein Screening so wenig bewirkt, liegt in der Biologie des Brustkrebses
begründet. Denn ein Teil der Tumore ist äußerst aggressiv.
Selbst wenn sie beim Screening in einem scheinbar frühen Stadium entdeckt
werden, haben sie schon Metastasen gebildet. Das Screening bewirkt dann nur
eines: Die betroffenen Frauen wissen länger um ihren Krebs. Ihr Leben
verlängert sich dagegen um keinen Tag.
Derzeit streiten Experten außerdem darüber, wie oft bei der Mammographie
kleine Knoten gefunden werden, die ohne Früherkennung nie aufgefallen
wären, weil sie extrem langsam wachsen. Wenn solche Knoten gefunden werden,
lösen sie eine folgenschwere Krebsdiagnose aus, von der die Frau ansonsten
nie betroffen worden wäre. Auch das ist ein Schaden.Gehen oder nicht
gehen?
Bei näherer Betrachtung ist die Mammographie also eine Frage der Abwägung.
Auf der einen Seite gibt es Frauen, die dank der Mammographie geheilt werden
können, also nicht an Brustkrebs sterben. Auf der anderen Seite stehen
Frauen, die durchaus schwerwiegende Schäden durch die Untersuchung erleiden.
Welches Argument stärker wiegt, kann nur jede Frau für sich selbst
entscheiden. Wichtig ist, dass mit der Einladung zur Mammographie keinerlei
Druck oder Verpflichtung verbunden ist. Auch wenn Ihnen ein Termin zu schnell
kommt, können Sie jederzeit einen anderen vereinbaren.
Impulse
für die Qualität der Mammographie
Wer sich für eine Mammographie entscheidet, für den ist das Früherkennungsprogramm
jedoch ein ernstzunehmendes Angebot. Denn die Voraussetzung dafür, dass
die Mammographie überhaupt ihren Zweck erfüllen kann, nämlich
einen gefährlichen Krebs entdecken, bevor er ein tödliches Stadium
erreicht hat, ist dass die Röntgenärzte möglichst wenig Fehler
machen. Tatsächlich sind die am Mammographie-Programm beteiligten Radiologen
besonders gut ausgebildet. Auch die Röntgengeräte werden streng
überwacht, so dass die Strahlenbelastung möglichst klein bleibt.
Und auch bei der Therapie sollen die Standards strenger kontrolliert werden.
Für die Qualität der Mammographie in Deutschland insgesamt gibt
das Programm daher durchaus Impulse.
Autor: Thomas Liesen
Auf das Bild klicken: Quicktime-Movie 4:14 min / 6 MB
WDR: 03.12.05; 10:00 Uhr
Brustkrebsrisiko und Vorsorgeuntersuchungen - auf das Bild klicken