"Prostatakrebs wird oft fälschlicherweise diagnostiziert"
Experten raten zu Vorsicht im Umgang mit den Daten aus dem PSA-Test
"Ein positiver PSA-Test signalisiert, dass der Mensch Prostatakrebs
hat und an einer tödlichen Erkrankung leidet - aber diese Schlussfolgerung
stimmt nicht", meint der Pharmakologe Prof. Peter Schönhöfer. "Ein
50-Jähriger hat zwar eine Wahrscheinlichkeit von fast 45 Prozent, während
der Restlebenszeit Prostatakrebs zu entwickeln, tatsächlich aber sterben
an der Erkrankung nur drei Prozent." Um den Krebs zu erkennen, wird durch
eine Blutprobe das Prostata-spezifische Antigen (PSA) bestimmt.
Doch der Test ist höchst umstritten: Bislang gibt es noch keine ausreichenden
Studien; die Tests werden uneinheitlich gemessen. Die gleiche Blutgruppe kann
einmal 2.2 Nanogramm und dann 4.8 Nanogramm zeigen. Das ist ein gewaltiger Unterschied,
weil in einem Fall operiert würde, im anderen aber nicht.
Obwohl der Test umstritten ist, wird er bundesweit in den Arztpraxen angeboten.
1990 lag die Zahl der Neuerkrankungen an Prostatakrebs bei 24.000 und 11.000 Todesfällen.
2003 wurde bei 34.000 Männern Prostatakrebs diagnostiziert. Doch trotz zahlreicher
Neuerkrankungen stieg die Zahl der Todesfälle nicht an. Prof. Nikolaus Becker
vom Heidelberger Krebsforschungszentrum glaubt, dass Patienten mit schlafenden,
eher harmlosen Krebszellen durch den Test zu Kranken gemacht werden. Dieses Schicksal
aber teilen Tausende Männer in Deutschland, denn der PSA-Test führt
laut Experten in einer Vielzahl von Fällen zu unnötigen Operationen.
Dabei können Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz auftreten, die vermeidbar
gewesen wären. Auf der einen Seite steht den früh erkannten Tumoren
eine erhebliche Zahl von unnötigen Therapien gegenüber. Deshalb müssten
die Urologen ihre Patienten eigentlich über die Risiken der Behandlung informieren.
Im Rahmen einer Untersuchung der Stiftung Warentest besuchte ein Testpatient rund
ein Fünftel aller Berliner Urologen-Praxen. Die meisten Ärzte - so das
Ergebnis - waren völlig unwissend. Nur ungefähr ein Drittel der Urologen
wusste über die Probleme, die dieser Test macht, einigermaßen Bescheid.
Zwei Drittel glaubten an die Sinnhaftigkeit des Tests, wussten aber nicht, dass
der Nutzen überhaupt nicht bewiesen ist. Auch deshalb waren die Ärzte
nicht in der Lage, ihre Patienten umfassend aufzuklären. Laut Berufsverband
der Deutschen Urologen hat es Fortschritte beim Erkennen von Prostatakrebs gegeben.
Doch selbst der Vorsitzende räumt die Gefahr ein, dass übereifrig operiert
wird.
Dadurch, dass sowohl Pharmaindustrie als auch Urologen Interesse an der Vermarktung
des PSA-Tests haben, kommt es häufig zu der - teils auch falschen - Diagnose
Prostatakrebs. Mit ein bisschen Pech wird die Operation dann auch noch von Ärzten
durchgeführt, die den Eingriff zu selten vornehmen. Daraus resultieren Komplikationen,
die vermeidbar wären. Männern mit der Diagnose Prostatakrebs rät
Prof. Karl Lauterbach, mehrere Arztmeinungen einzuholen.
Ein an Prostatakrebs erkrankter Mann musste im Zeitraum von einem halben Jahr
sieben Folgeoperationen in Kauf nehmen, die seine Inkontinenz beheben sollten.
Doch die Operationen waren vergeblich und führten nur zu Schmerzen. Rückblickend
stellte sich heraus, dass der Krebs viel zu klein war und wahrscheinlich gar nicht
hätte operiert werden müssen.